Gedanken zum Kongressthema „Brüche“
Brüche ermöglichen und bieten Anlässe für Neuanfänge, grundlegende Reflexionen und die Konzeptualisierung alternativer, richtungsweisender Bildungs- und Erziehungsansätze. Sie sind konstitutiver Teil des Aufwachsens, der Sozialisation und Bildung. Der dialektische Grundton und die schillernde Metaphorik rund um Brüche, Umbrüche, Durchbrüche, Einbrüche und Aufbrüche weist nicht zuletzt auf die anthropologische Grundfrage einer fragilen Existenz. Hiervon zeugt nicht nur die Formel des menschlichen Fragments, sondern auch das Phänomen des Durchbruchs als elementarer Erkenntnisgewinn an den Bruchlinien der Erfahrung. Sowohl in individuellen Lebensverläufen als auch im Kontext von organisationalen oder gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen markieren Brüche disruptive Veränderungen. Die Dynamik solcher sozialen und kulturellen Transformationen, technologischer Innovationen, politischer Umbrüche und zunehmender Diversifizierung von Bildungs- und Berufsverläufen fordern pädagogisch Handelnde heraus, sich mit Bruchstellen, Diskontinuitäten und Übergängen auseinanderzusetzen.
In der erziehungswissenschaftlichen Theoriebildung und Geschichtsschreibung, den methodisch-methodologischen Perspektivierungen als auch in den pädagogischen Handlungsfeldern können Brüche vielfältige Formen annehmen. Das Thema das 30. DGfE-Kongresses ermöglicht daher verschiedene Zugänge aus allen Teilbereichen der Erziehungswissenschaft: So können etwa performative oder institutionelle Brüche untersucht werden oder gesellschaftliche Ungleichheiten und Risikofaktoren in den Blick genommen werden.
Wie weit das Forschungsfeld reicht, das sich rund um das Thema aufspannt, zeigt sich an der variablen Bedeutung und den impliziten Wertungen des Begriffs im Kontext von Erziehungs- und Bildungsprozessen: So verlaufen (Bildungs-)Biographien selten linear, sondern sind von krisenhaften Umbrüchen, Abbrüchen und Ausbrüchen aus institutionell vorstrukturierten Verlaufsmustern gekennzeichnet. Aus lerntheoretischer Perspektive ist mit motivationalen Einbrüchen und Krisen zu rechnen, die durch Stress- und Unsicherheitsfaktoren hervorgerufen werden können, aber zeitgleich besondere Chancen für das Lernen und die individuelle Entwicklung bieten.
Neben den ihnen inhärenten Herausforderungen verweisen Brüche aus erziehungswissenschaftlicher Sicht also auch auf eine dezidiert positive und für pädagogisches Denken unverzichtbare Dimension. Die Bewertung von Brüchen bleibt dabei immer an akteursbezogene und sich im Zeitverlauf wandelnde Perspektiven gebunden. Auch wesentliche Erneuerungen im Erziehungs- und Bildungsdenken und ideengeschichtliche sowie institutionelle Wandlungsprozesse sind als Antworten auf historische Problemlagen zu verstehen, die zugunsten eines innovativen Aufbruchs, etwa durch Reformen oder visionäre Alternativkonzepte, im Sinne einer besseren Zukunft überwunden werden sollen. Der Bruch als Ablösung vom bisher Erreichten ist auch als Triebfeder jeder Entwicklung erkennbar: Individuelle Entwicklungen werden krisenbedingt infrage gestellt und ermöglichen so die Neuformation und Aktualisierung von Identitäten.
Mit dem Kongressthema werden daher nicht bloß Problemstellungen identifiziert, sondern notwendige Übergangsmomente in den Blick genommen, die ein Potenzial für Innovation und positive Zukunftsgestaltung bieten.
Formate auf dem Münchner Kongress
Im Rahmen des 30. Kongresses der DGfE sind diverse Formate zum Austausch, zur Kontroverse und zur Information vorgesehen, um das Kongressthema und weitere aktuell relevante erziehungswissenschaftliche Themen vorstellen und bearbeiten zu können.
Symposium (120 min)
Ein Symposium muss einen direkten Bezug zum Tagungsthema aufweisen und sollte maximal vier fachwissenschaftliche Vorträge umfassen, wobei mindestens ein Vortrag von einer:m Wissenschaftler:in in Qualifizierungsphasen gehalten werden muss.
Internationales Symposium (120 min)
Die DGfE möchte ein Symposiumaus Ländern mit einem niedrigen Bruttosozialprodukt finanzieren (https://eera-ecer.de/ecer-annual-conference/registration-and-fees/low-gdp-countries/). Ein Symposium, dessen Vortragende WERA-Mitglieder sind sowie ausschließlich aus Ländern mit geringem Bruttosozialprodukt kommen, kann von WERA-Mitgliedern eingereicht werden. Setzen Sie bitte einen entsprechenden Haken in ConfTool und senden Sie bis 26.04.2025 einen Finanzplan (Reisekosten) an die Geschäftsstelle der DGfE (buero@dgfe.de).
Liegen mehrere Symposien vor, welche die Kriterien einer Finanzierung erfüllen und von der Programmkommission positiv begutachtet werden, entscheidet der DGfE-Vorstand über die Förderung.
Arbeitsgruppe (90 min)
Arbeitsgruppen sind in ihrer Gestaltung thematisch frei, ein Bezug zum Kongressthema ist jedoch wünschenswert. Eine Arbeitsgruppe sollte maximal drei Einzelbeiträge umfassen. Die Beteiligung von Wissenschaftler:innen in Qualifizierungsphasen ist ebenso erwünscht wie die Mitwirkung internationaler Kolleg:innen.
Forschungs- und Themenforum (90 min)
Forschungs- und Themenforen sind in ihrer inhaltlichen wie formalen Gestaltung frei. Sie bieten nationalen wie internationalen Forschungsprojekten oder -verbünden sowie Gruppen von Wissenschaftler:innen in Qualifizierungsphasen eine Möglichkeit des fachlichen Austauschs.
Wissenschaftler:innen in Qualifizierungsphasen haben die Möglichkeit der Einreichung eines Einzelbeitrags für ein Themenforum, das jedoch explizit auf das Kongressthema bezogen sein sollte.
Ad-Hoc-Gruppen (90 min)
Inhalt der Ad-Hoc-Gruppen sollen v.a. aktuelle wissenschafts- und disziplinpolitische Themen sein. Abgelehnte Beiträge für andere Veranstaltungsformate können nicht als Ad-Hoc-Gruppen eingereicht werden. Der Call for Ad-Hoc-Gruppen wird voraussichtlich im Sommer/Herbst 2025 veröffentlicht.
Postersession
Das Format Poster & Diskurs dient der Vorstellung und Diskussion von erziehungswissenschaftlichen Forschungsarbeiten, -projekten und -vorhaben in einer graphisch zugänglichen und zugleich interaktiven Form. Insbesondere noch nicht publizierte Arbeiten sind hierbei von Interesse. Wir möchten ausdrücklich Wissenschaftler:innen in Qualifizierungsphasen zur Einreichung von Postern, aber auch in allen anderen Formaten auffordern. Der Call for Poster wird voraussichtlich im Sommer 2025 veröffentlicht.