Prof. Dr. Martina Richter
Das Familiale ist in Gegenwartsgesellschaften von Kontinuitäten und Brüchen gleichermaßen gekennzeichnet. Die Ermöglichung von Sozialität oder die Gewährleistung eines Raums der Intimität und des Schutzes menschlicher Vulnerabilität erfordern Stabilität wie Veränderung; die Machtverhältnisse wie das Potenzial für Gewalt, ja die Monströsität des Familialen ergibt sich erst aus der Gleichzeitigkeit ihrer Gegebenheit und ihrer historischen Transformation. Die Covid 19-Pandemie war nur das jüngste historische Beispiel dafür.
Vorstellungen von Privatheit entstehen im Zusammenspiel mit denen von Öffentlichkeit. Während allerdings Öffentlichkeit in erziehungswissenschaftlichen Diskursen prominent verhandelt wird, gerade auch angesichts ihres demokratietheoretischen Potenzials, zeigt sich Privatheit weitgehend als begriffliche und konzeptionelle Leerstelle. Ausnahme bilden hierbei geschlechtertheoretische und feministische Diskurse, in denen der politische Gehalt und die Machtförmigkeit des Privaten bereits herausgestellt werden. Privatheit erweist sich in dieser Perspektive notwendig als Gegenstand eines stetigen Ringens in gesellschaftlichen Verhältnissen, und damit immer auch des Ringens um eine Bestimmung von Erziehung und Bildung. Dies verdeutlicht das gegenwärtige Proklamieren des Privaten – gerade als Familiales – im Kontext rechter Landnahme.
Damit zeigt sich nichts weniger als eine (neue) Politisierung des Familialen und Privaten – mit vielfachen Bezügen zu Fragen von Erziehung und Bildung. In dem Vortrag wird der Blick auf das Familiale und Private in der Annahme von Kontinuitäten und Brüchen in Gegenwartsgesellschaften fokussiert, unter Einbeziehung von empirischen und theoretischen Bezügen.
Prof. Dr. Martina Richter
Universität Duisburg-Essen