Brüche – Kontinuitäten – Vereinigungen. Reflexionen zur erziehungswissenschaftlichen Theoriebildung am Beispiel Bildung für nachhaltige Entwicklung

In Zeiten von Polykrisen und politisch-kulturellen Brüchen wird nicht nur die pädagogische Praxis aufgefordert, zur erfolgreichen Bewältigung dieser Krisen und Brüche beizutragen. Auch zahlreiche Ansätze in der Erziehungswissenschaft orientieren sich an dieser problemorientierten Frage. Dies gilt insbesondere auch für deutschsprachige erziehungswissenschaftliche Beiträge zum Themenfeld Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) (vgl. bspw. Holst et al. 2025; Pettig & Singer-Brodowski 2025). Solche wissenschaftlichen Beiträge lassen sich primär als problemorientiert und weniger als theorienorientiert beschreiben (vgl. Clark 2007).

Der Vortrag bricht mit dieser einseitigen Problemorientierung und fokussiert stattdessen die Frage nach der Theoriebildung und dem „Erkenntnisfortschritt (in) der Erziehungswissenschaft“ (Rucker, 2017) im Themenfeld BNE.

Im Zentrum stehen Analysen von ausgewählten Beiträgen aus dem Themenfeld BNE, die mit normativ-wissenschaftstheoretische Überlegungen verschränkt werden. Genutzt wird ein weites BNE-Verständnis, das auch Beiträge aufgreift, die sich wohl nicht unter diese Begrifflichkeit subsumieren würden (z.B. Engel & Terstegen 2024; Quirl et al. 2025), die jedoch zu den mit BNE adressierten Themen arbeiten, also insbesondere zur Frage nach weltweit gerechten Gesellschaften unter Wahrung der sogenannten natürlichen Lebensgrundlagen.

Die Analysen sollen gemeinsam die Hauptthese des Vortrags stützen. Demnach bedarf die wissenschaftliche Forschung (vgl. z. B. Hummrich, 2025) und somit der wissenschaftliche BNE-Diskurs sowohl einer Erweiterung um theoriegeleitete und theoriegenerierende Forschung als auch einer Ergänzung um eine metatheoretische Theoriebildung (vgl. Kminek, 2025; Zima, 2027).

Der Vortrag leistet somit keinen Beitrag zum Programm „theoretischer Forschung“ (Bellmann 2020), sondern arbeitet zur „Theoriebildungsforschung“ (Ricken 2020).

Anhand der Analyse ausgewählter Beiträge wird dafür plädiert, kritisch nach den Grenzen ihrer Aussagemöglichkeiten zu fragen und analytisch klar(er) zwischen normativ-präskriptiven und empirisch-deskriptiven Fragestellungen und Argumenten zu unterscheiden.

Schließlich wird die Frage behandelt, wie die im Vortrag skizzierte erziehungswissenschaftliche BNE-Forschung aussichts- und ertragreich zur Verschränkung von Theoriearbeit und der angesprochenen Problembearbeitung beitragen kann, ohne sich in wissenschaftstheoretischen Fragestellungen zu verlieren und im Elfenbeinturm zu enden.

Dr. Helge Kminek

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt