Brüchige Fundamente, vielversprechende Algorithmen

Die erziehungswissenschaftliche Forschung zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Heterogenität an Themenfeldern und methodologischen Zugängen aus, die sich entlang verschiedener erkenntnistheoretischer Paradigmen orientieren. Eine zentrale Herausforderung innerhalb dieses Forschungsgebietes bleibt jedoch die zuverlässige Erhebung und Auswertung von Daten zur Unterstützung belastbarer Befunde. Angesichts der rasanten Digitalisierung und der damit einhergehenden Exponenzierung großer Datensätze ergeben sich neue Möglichkeiten für eine datengestützte Erkenntnisgenerierung im Kontext der erziehungswissenschaftlichen Forschung. Diese Bruchlinie zwischen traditionellen Forschungsansätzen und den Anforderungen einer digitalisierten Bildungsrealität bietet einen fruchtbaren Boden für die Weiterentwicklung der Bildungsdatenwissenschaft (Educational Data Science). Als interdisziplinäres Feld bezieht sich die Bildungsdatenwissenschaft auf die Anwendung von Methoden aus Informatik, Statistik und angrenzenden Disziplinen zur Analyse erziehungswissenschaftlicher Phänomene. Sie verspricht, herkömmliche Forschungspraktiken zu ergänzen und zu bereichern. Dennoch muss die fortschreitende Diversifizierung der Bildungsdatenwissenschaft kritisch beleuchtet werden, wobei spezialisierte Forschungsstränge wie Educational Data Mining und Learning Analytics im Fokus stehen. EDM beschäftigt sich mit der systematischen Analyse großer Datenmengen aus Bildungskontexten, um Muster und Einsichten zu generieren, die zur Verbesserung des Lernens und Lehrens beitragen können. Learning Analytics hingegen fokussieren auf die Nutzung von Datenanalysemethoden, um Lern- und Lehr-Prozesse zu verstehen und zu unterstützen. Trotz der signifikanten Potenziale dieser Ansätze zeigt eine Analyse erziehungswissenschaftlicher Publikationen jedoch eine relativ geringe Präsenz datenwissenschaftlicher Methoden. Dies weist auf die Notwendigkeit hin, die Integration von Bildungsdatenwissenschaft in die erziehungswissenschaftliche Forschung intensiver zu verfolgen.

Literatur

Gibson, D. C., & Ifenthaler, D. (2024). Computational learning theories. Models for artificial intelligence promoting learning processes. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-031-65898-3

Ifenthaler, D. (2025). Bildungsdatenwissenschaft: ein Paradigmenwechsel für die Methodologie der Erziehungswissenschaft? Erziehungswissenschaft, 36(70), 37–47. https://doi.org/10.3224/ezw.v36i1.05

Prof. Dr. Dr. h.c. Dirk Ifenthaler

Universität Mannheim und Curtin University